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ANDERS WOHNEN – Eine Radtour zu Dortmunder Baugruppen

16. Oktober 2023

ARCHITEKTURWOCHEN NRW 2023

Seit 25 Jahren initiiert der Verein W.I.R. in Dortmund gemeinschaftlich orientierte Wohnprojekte. W.I.R. – das steht für Wohnen innovativ realisieren, aber eben auch für das Wir-Gefühl, das das Planen, Bauen und Leben in einer Baugruppe von konventionellen Wohnmodellen unterscheidet. Im Zentrum steht der Wunsch nach einer aktiven, verlässlichen Nachbarschaft, gegenseitiger Unterstützung und einem hohen Maß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit.
In der Regel sind die Projekte genossenschaftlich organisiert, so dass alle Mieter:innen zugleich Miteigentümer:innen sind. Gemeinsam genutzte Räume, von der Fahrradwerkstatt über die Gästewohnung bis zum Garten, stärken das Miteinander. Soziales Engagement und ökologische Nachhaltigkeit werden großgeschrieben.

© Christine Kämmerer
© Christine Kämmerer
WIR am Phoenixsee | © Christine Kämmerer

Bei strahlender Septembersonne bot sich die Gelegenheit, vier W.I.R.-Projekte und ihre Bewohner:innen kennenzulernen. Ausgangspunkt der Radtour durch den Dortmunder Süden war „WIR am Phoenixsee“. 2009 entstand die Idee für dieses Projekt am damals noch nicht gefluteten Phoenixsee auf einem ehemaligen Stahlwerkgelände, 2015 zogen die ersten Bewohner:innen ein. In der Planungsphase konnten nicht genug Baugruppenmitglieder gewonnen werden, so dass ein Bauträger einsprang und ein Teil der 40 Wohneinheiten heute fremdvermietet wird. Der gemeinschaftliche Gedanken wird deshalb nicht von allen Bewohner:innen so gelebt, wie man es sich ursprünglich gewünscht hatte. Dennoch: Viele Nachbar:innen treffen sich regelmäßig zum Frühstücken, Tanzen, Spielen und Feiern und kümmern sich um die Pflege des zentralen grünen Patios.

Zwei Kilometer weiter stehen vor dem nächsten Wohnprojekt „WIR auf’m Revier“ noch Bauzäune. Jahrzehntelang hatte das Gebäude als Polizeiwache, dann übergangsweise als Flüchtlingsunterkunft gedient, bevor die Ko-Operativ eG es 2019 übernahm und mit dem Büro post welters + partner umbaute und aufstockte. In den früheren Büroräumen entstanden 23 Wohnungen unterschiedlicher Größe, 40% davon gefördert. Der Umbau im Bestand barg einige Herausforderungen, noch immer ist nicht alles fertig, doch die frisch eingezogenen Bewohner:innen fühlen sich bereits wohl in ihrem Revier.

Bei der Ankunft am Wohnprojekt „WIR auf Phoenix“ weht den Radelnden schon Grillduft entgegen. Das Nachbarschaftsfest, zu dem auch Jung und Alt aus den umliegenden Häusern eingeladen sind, ist in vollem Gange. Diese Öffnung ins Quartier ist den Bewohner:innen wichtig. Auch die Food-Sharing-Box wird von vielen Menschen aus der Umgebung genutzt. Dort findet man unter anderem Obst aus dem großen Gemeinschaftsgarten.

WIR wohnen anders | © Christine Kämmerer

Weiter geht es nach Dortmund-Brünninghausen, wo W.I.R. gemeinsam mit der Spar und Bau eG 2010 das Projekt „WIR wohnen anders“ realisierte. Den Kern des Quartiers bildet ein dreigeschossiges Haus mit 25 Mietwohnungen an einem grünen Innenhof. Die Erschließung erfolgt über Galerien, die zugleich Begegnungsorte sind. Zum Ensemble gehören auch 13 frei finanzierte Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften. So soll ein „Dorf in der Stadt“ entstehen.
Am Ende der Tour treffen wir eine junge Familie vor dem Haus, die sich – wie auch die Bewohner:innen der anderen Baugruppen – ganz bewusst für dieses Modell entschieden hat. Sie schätzen die Möglichkeit, die privaten Wohnflächen durch geteilte Räume zu erweitern: So wird der Gemeinschaftsraum auch mal als Homeoffice genutzt. Das klassische Einfamilienhaus? Für sie keine Alternative.

Christine Kämmerer

Projekte:
WIR am Phoenixsee, 2011-2015, Neubau, Architektur: post welters + partner
WIR auf’m Revier, 2023, Umnutzung und Aufstockung, Architektur: post welters + partner
WIR auf Phoenix, 2012, Neubau, Architektur: Bruno Brandi
WIR wohnen anders, 2013, Neubau, Architektur: post welters + partner